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Zum Projekt gehört auch ein großer Garten, der von den BewohnerInnen selbst betreut wird. Stadtrat Ludwig mit einem kleinen Bewohner beim Einsetzen von Narzissen-Zwiebeln für den kommenden Frühling.

Baugruppe "Gennesaret" - Wohnen endet nicht an der Wohnungstür

In Wien-Mauer startete ein innovatives gefördertes Modell generationenübergreifenden Zusammenlebens.

Im neu errichteten Wohngebäude in der Endresstraße 59c sind die ersten BewohnerInnen eingezogen. Auch das öffentlich zugängliche Therapiezentrum im Erdgeschoß und die reformpädagogische Schule haben geöffnet. Im Eingangsbereich parken Kinderwägen, da und dort steht noch ein Umzugskarton und im Hof werden Bäume gepflanzt. Es ist ein Haus zum Wohnen, Leben, Arbeiten und Lernen für Menschen mehrerer Generationen. Das genossenschaftsähnlich organisierte Wohnmodell konnte durch das Engagement der BewohnerInnen und die öffentlichen Förderungen der Stadt Wien realisiert werden. Gestern, Montag, fand die offizielle Eröffnung durch Wohnbaustadtrat Michael Ludwig statt.

„Bei diesem sehr schönen Projekt handelt es sich um eine Baugruppe, die das lebendige Miteinander aller Bewohnerinnen und Bewohner in den Mittelpunkt stellt. Das spiegelt sich auch in einem sehr großen und durchdachten Angebot an Gemeinschaftsräumen wider. Darüber hinaus befindet sich ein Zentrum für pädagogische und therapeutische Angebote im Haus. Die Stadt Wien förderte die Realisierung des Wohnprojekts ,Gennesaret“ mit einem Landesdarlehen in Summe von 1,7 Millionen Euro und Baukostenzuschüssen im Umfang von rund 421.400 Euro“, unterstrich Wohnbaustadtrat Michael Ludwig bei der Eröffnung.

Ein sozialer, ökologischer und ökonomischer Ansatz

Auf vier Wohngeschoßen finden sich 27 Wohneinheiten in der Größe von 25 bis 130 m2 und zahlreiche Gemeinschaftsbereiche. Flächen, die üblicherweise in einer Privatwohnung untergebracht werden müssen, wie ein Gästezimmer, ein Spielbereich für Kinder, ein Platz zum Musizieren, für Fitness oder Meditation oder für eine Waschmaschine, werden den BewohnerInnen an für alle zugänglichen Bereichen des Hauses angeboten.

„Wir sind nicht nur in eine Wohnung eingezogen, sondern bewohnen das ganze Haus. Das macht sozial, ökologisch und ökonomisch Sinn.“, schilderte Martin Schelm, Obmann des Trägervereins, diese Lebensform. Die Wohneinheiten sind so ausgestattet, dass ein Wohnungstausch einfach gemacht wird, wenn geänderte Lebensverhältnisse dies erfordern, z.B. bei Pflegebedarf älterer Personen oder weiteren Kindern.

Kein Leben auf der „Insel“, sondern miteinander

Im Erdgeschoß wurden Räume für ein pädagogisches und therapeutisches Zentrum errichtet. Es ist öffentlich zugänglich für die Kinder, die die reformpädagogische Volksschule „Tankstelle“ besuchen, ebenso für PatientInnen, die Therapieangebote in den vermieteten Praxisräumen nützen, oder für BesucherInnen von Kreativkursen und Veranstaltungen. Die AnbieterInnen sind etablierte PädagogInnen und TherapeutInnen aus dem Bezirk. Bei einem „Open House“ Anfang Oktober konnten Interessierte aus der Nachbarschaft diese Angebote bereits kennenlernen.

Das Gebäude wurde geplant als ein Ort, der viel zulässt – primär Kommunikation und Begegnung. „Deshalb finden sich im Haus viele spezielle Stellen, die ein heimeliges Lebensgefühl vermitteln sollen, das sonst nur für Altbauten charakteristisch ist. Es gibt nicht nur Glattes oder Gerades, sondern Vielfältiges, auch spielerisch Offenes – dennoch bleibt alles im Rahmen der baurechtlichen Richtlinien sowie der vorgegebenen finanziellen Obergrenzen.“, beschrieb Planer und Bewohner Ralf Aydt das architektonische Ziel und die Herausforderung.

Aus städtebaulicher Sicht fügt sich das Gebäude in den Straßenraum hinsichtlich Proportion, Form und Gestaltung ein. An der Fassade sind Fenster und Balkone von Gemeinschaftsflächen an der rötlichen Farbe erkennbar. Das darf auch als farblicher Bezug zum Wiener Pionier-Wohnprojekt Sargfabrik verstanden werden.

In der Bauausführung wurde mit dem Passivhauskonzept ein hoher ökologischer Standard umgesetzt. Das Ziel des Konzepts ist die Verringerung des ökologischen Fußabdrucks der BewohnerInnen. Zur Umsetzung gehören auch ein Chemikalienmanagement bei der Bauausführung, Energieversorgung durch Erdwärme und Photovoltaikanlage, Wohnflächenökonomie, Infrastruktur für Fahrradnutzung, Car Sharing und Food Coop und ein hochwertiger Außenraum.

Durch Kooperation zur Realisierung

Eigentümer und Verwalter des Hauses ist der Verein „Gennesaret – Wohnen und Leben in Gemeinschaft“, der 2009 gegründet wurde. Die Gruppe der BewohnerInnen setzt sich aus 38 Erwachsenen und 26 Kindern zusammen, das Durchschnittsalter liegt derzeit bei 42 Jahren. Die Initiative für das Gesamtvorhaben wurde vor 15 Jahren durch Leon und Claudia Lenhart gesetzt, Verantwortliche für „Tankstelle“ – die Schule, die im benachbarten und seit vielen Jahren erfolgreichen Wohnprojekt „Altes Kloster“ leben. Die Gesamtbaukosten von rund 6,3 Mio. Euro wurden finanziert durch ca. 20 % Eigenmittel der Bewohner/innen (380 Euro/m2), Mittel der Wiener Wohnbauförderung im Gesamtumfang von rund 2,1 Mio. Euro sowie einen Hypothekarkredit. Das Nutzungsentgelt liegt bei brutto10,45 Euro/m2. Die Organisationsform als Wohnheim schließt das Eigentum an einzelnen Wohnungen aus, bei Auszug erhalten die NutzerInnen die eingezahlten Finanzierungsbeiträge wieder zurück. An der Realisierung waren eine Vielzahl an Fachleuten, KonsulentInnen und Firmen beteiligt, unter anderem: Architekt Franz Kuzmich (Ausführungsplanung), Karlheinz Wagner (Baustatik), Johannes Stockinger (Haustechnik und Bauphysik), Baumeister Traunfellner (Bauführung), Firma Sokol (Trockenbau). Unzählige fachliche Hinweise steuerten andere Wohnprojekte und ExpertInnen aus sozialpolitischen Organisationen bei.

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